Wahlversprechen und Wirklichkeit - THAIFRAU GUIDE

Von Günther Ruffert, Thailand

Hinweis: Dieser Artikel ist aus dem Jahr 2001 und daher veraltet.

Die meisten Touristen, die nach Thailand kommen, lernen vom Lande nur ein paar Strände, Bars und Straßenboutiquen kennen, in dem sie Imitate fast aller Markenartikel preiswert kaufen können. Eventuell kommen noch ein paar Tempelbesuche und ein Pauschalausflug zum River Kwai oder nach Chiang Mai hinzu. Wenn sie dann in ihre Heimat zurückfahren, haben sie hoffentlich ein paar schöne Urlaubswochen verlebt, von den Problemen, die sich hinter dem Lächeln der Menschen verbergen, denen sie begegnet sind, haben sie aber kaum etwas mitbekommen. Dieses Land und seine Menschen haben nämlich erhebliche Probleme, die vor allem aus der plötzlichen Globalisierung herrühren. Wohl haben auch andere Länder damit ihre Schwierigkeiten, doch als Folge der zwar demokratisch eingefärbten, aber nach wie vor hierarchischen Gesellschaftsstruktur, wird die Politik weniger vom Willen des Volkes, als von einer relativ kleinen plutokratischen Schicht und deren Interessen bestimmt. Wer an diesem Land interessiert ist, sollte aber auch ein wenig von den politischen Verhältnissen wissen, um in der Lage zu sein, die Situation und das Handeln der Menschen besser zu verstehen.

Bei den Parlamentswahlen Anfang des Jahres, hat die erst vor ein paar Jahren, und speziell für diese Wahlen gegründete"Thai Rak Thai" Partei Thaksins die absolute Mehrheit gewonnen. Auch wenn ein Teil der gewählten Volksvertreter (über 60) wegen nachgewiesenen Wahlbetrugs disqualifiziert wurden, so daß Nachwahlen in verschiedenen Wahlbezirken erforderlich waren, hat sich an der Zusammensetzung des neuen Parlaments und an der Wahl Thaksins zum Ministerpräsident nichts geändert. Thaksin wurde allgemein als reichster Mann in Thailand angesehen. Er hat allerdings im Augenblick noch einige Probleme, und hat ein Gerichtsverfahren vor sich, das ihn eventuell zur Abdankung zwingt. Dies nicht etwa, weil er, wie bei Thai Politikern nicht unüblich, illegale Gelder angenommen, sondern weil er nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, sein ganzes Vermögen deklariert hat, als er in der letzten Regierung zeitweilig Minister war. Er hat, wie er selber angibt, einfach ein paar Millionen vergessen. Seine Milliarden hat Thaksin, der aus kleinen Verhältnissen kommt, vor allem mit der rücksichtslosen Ausnutzung seines Monopols in verschiedenen Bereichen der Telekommunikation erworben (Fernsehsender, Telefongesellschaften, Internet u.s.w.)

Durch seinen überragenden Wahlsieg hat Thaksin bewiesen, daß er ein cleverer Geschäftsmann ist und die Wert- und Preisvorstellungen der Mehrheit der Thai-Wähler richtig eingeschätzt hat. Man erwartet weniger einen starken Führer, sondern einen Mann der Geld zaubern kann, und der mit diesen Künsten das Land aus dem wirtschaftlichen Tief, das nach Meinung der Thais hauptsächlich durch die bösen ausländischen Spekulanten und den Weltwährungsfond verursacht wurde, in eine bessere Zukunft führt.

Den erdrutschartigen Wahlsieg verdankt er vor allem zwei Dingen. Zum einen dem Überdruss der Thais mit den erfolglosen Bemühungen der letzten Regierung, die Auswirkungen des Crashs von 1997 zu mildern, und einen Weg aus der Krise zu finden. Da traut man eben dem cleveren Geschäftsmann Thaksin mehr zu. Der zweite Grund sind die Versprechungen die Thaksin im Wahlkampf gemacht hat. So vor allem, daß für die bis über die Ohren verschuldeten Bauern drei Jahre alle Zinszahlungen storniert werden, und daß jedes Dorf eine Million Baht erhalten soll. Er hat dabei allerdings vergessen zu erklären, wer denn den Banken, die ja ihr Geld sehen wollen, die Zinsausfälle bezahlen soll, und wo er für ca. 70.000 Dörfer, die zur Einhaltung des Versprechens notwendigen 70.000 x 1000000 = 70 Milliarden Baht herzaubern will. Aber mit so viel Nullen kann sowieso niemand auf den Dörfern etwas anfangen. Als weiteres zugkräftiges Wahlversprechen sagte er ein Gesetz zu, das es jedem Thai Bürger erlaubt, sich in Zukunft für 30 Baht in einem Krankenhaus behandeln zu lassen.

Thaksin hatte sich als sehr erfolgreicher Geschäftsmann erwiesen, und es wurde deshalb erwartet, daß er genug Ideen hat um das Land aus der Krise zu führen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob Thaksin wirklich willens und in der Lage ist das Steuer in Thailand herumzureißen. Mit seiner absoluten Mehrheit im Parlament müsste es ihm möglich sein, auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen. Aber Thailand ist eben Thailand, und die Politik wird weniger durch das Parlament, sondern durch die verflochtenen Cliquen aus Kapital und Militär bestimmt. Um eine zur Abwehr eines eventuellen Misstrauensvotums erforderliche 2\3 Mehrheit zu bekommen, ist er eine Koalition mit der New Aspiration Partei und der Chart Thai Partei eingegangen. Die Tatsache, daß nun in Zukunft auch Politiker wie die Vorsitzenden dieser beiden Parteien, Banharn und Chavalit, die beide zu ihrer Zeit als jeweilige Ministerpräsidenten alles dazu beigetragen haben, um das Land in die finanzielle Katastrophe zu steuern, die Geschicke des Landes bestimmen werden, läßt Zweifel daran aufkommen, ob und wieweit Thaksin tatsächlich in der Lage ist , das zur Gesundung der Finanzen des Landes erforderliche Vertrauens des Auslands in Thailand und seine Währung wiederherzustellen. Thaksin hat zwar beteuert, daß er nur Leute in seine Regierungsmannschaft aufnehmen wird, die in der öffentlichkeit ein unbelastetes Image haben, hatte aber - wenn er diese Leute nicht importieren wollte - kaum Chancen solche Leute unter den namhaften Politikern der Koalitionsparteien zu finden. Dieses löbliche Vorhaben klang auch schon deshalb wenig glaubhaft, als Thaksin ja selbst ein schwebendes Verfahren wegen falscher Vermögenserklärung und einiger andere Skandale und zweifelhafter Geschäftspraktiken am Hals hat, wie der gesetzlich nicht zulässige Erwerb von Tempelland zum Bau einer Golfanlage durch eine seiner Gesellschaften, und die trickreiche übertragung seines Riesenvermögens an seine Familie und Hausangestellten, bevor er sich in der hohen Politik engagierte.

Nach den ersten Monaten seiner Regierungstätigkeit, hat Khun Thaksin jedoch seine freigiebigen Wahlversprechen der Realität anpassen müssen. (was sicher nicht nur ihm selbst, sondern auch jedem der drei und drei zusammenzählen kann von vornherein klar war).

Von der Zinsstornierung profitieren nur die Bauern die mit weniger als 100.000 Baht bei der staatlichen Landwirtschaftsbank verschuldet sind. Da die Zinsstornierung auch mit zusätzlichen Auflagen wie das Verbot weiterer Kreditaufnahme, und höheren Zinsen nach dem dreijährigen Moratorium verbunden sind, denken nach ersten Erhebungen auch weniger als die Hälfte der verschuldeten Bauern daran diese Wohltat in Anspruch zu nehmen.

Die praktisch freie Krankenhausversorgung wird zunächst nur in wenigen Provinzen, und zwar überwiegend den bevölkerungsschwachen eingeführt. Bangkok soll erst im Oktober dieses Jahres dran kommen. Es gibt auch erhebliche Zweifel bei Fachleuten, ob die Krankenhäuser überhaupt personell und organisatorisch dem zu erwartenden Massenansturm gewachsen sein werden.

Die Million Baht sollen in diesem Jahr nur 20.000 Gemeinden erhalten. Jedes Jahr sollen dann 20.000 Gemeinden dazu kommen, so daß dann in 4 Jahren das letzte Dorf im Isaan mit dem Geldsegen rechnen kann. Solange hat sich aber bisher noch keine Thairegierung gehalten. Für die richtige und ordnungsgemäße Verwendung des Geldes sollen örtliche Komitees gegründet werden, und wer Thai-Verhältnisse kennt, ahnt bereits wie das aussehen wird. Es werden die reichsten und damit einflussreichsten Leute im Dorf in dieses Komitee gewählt werden, die dann dafür sorgen werden, das der Geldstrom nicht an ihren Taschen vorüberfließen wird.

Auch müssen die gutgläubigen Wähler inzwischen am eigenen Geldbeutel erfahren, daß auch Khun Thaksin kein Geld zaubern kann, sondern daß die Thais die versprochenen Wohltaten über höhere Verbrauchssteuern selbst bezahlen müssen. Zur Finanzierung der versprochenen Sozialprogramme, denen Thaksin seinen Wahlsieg verdankt, sind inzwischen schon die Preise für Strom, Zigaretten, Alkoholika usw. um ca. 10 Prozent angehoben worden.

Nicht gerade Vertrauen in die Seriosität und Fachkenntnis des Regierungschef, weckt allerdings die Art und Weise wie er sich gerade von einem Riesenbetrug an der Nase herumführen ließ. Ein Senator, der wegen seiner Exzentrizität in Thailand notorisch ist, hatte die Thai öffentlichkeit damit elektrisiert, daß er in einer Höhle in der Provinz Kanchanaburi einen Riesenschatz an Gold und amerikanischen Schuldverschreibungen entdeckt hätte. Obwohl die ganze Sache von vornherein nach einer Riesenente aussah, flog Thaksin an den Ort der Entdeckung, und veranlasste staatliche Stellen, schweres Gerät für die Bergung des Schatzes aus der Höhle heranzukarren. Wenngleich er noch kein Goldstück des angeblich gefundenen Schatzes, sondern nur einige Photographien der gefälschten Schatzanweisungen gesehen hatte, tönte er in aller öffentlichkeit, mit diesem Riesenschatz ließen sich alle finanziellen Probleme Thailands mit einem Schlag lösen, und löste damit im Lande eine Euphorie aus. Die Enttäuschung folgte aber auf dem Fuß, als sich herausstellte, daß es sich bei den angeblich aufgefundenen Schatzanweisungen, um die Neuauflage eines Schwindels handelt, der im vergangenen Jahr schon auf den Philippinen aufgeflogen war. Von dem angeblichen Goldschatz hat bis heute auch noch niemand etwas gesehen. So lustig sich die Story auch anhört, so wirft sie doch ein bezeichnende Licht auf die Art und Weise wie in Thailand Politik eher mit Hoffnungen als mit Realitäten gemacht wird.

Interessant, und eine Menge aussagend, ist auch der Vermögensstatus der 35 Kabinettsmitglieder, die ja gemäß Thai-Verfassung. jeweils vor und nach der Amtsübernahme ihr Vermögen angeben müssen. Die 35 Kabinettsmitglieder geben im Schnitt ein Vermögen von über 20 Millionen an, und selbst der "ärmste" dieser Truppe ist noch Baht-Millionär. Thaksin selbst liegt zwar mit "nur" ca. 500 Millionen Baht erst an 6. Stelle, hat aber rechtzeitig sein Vermögen trickreich und steuerfrei an seine Familie übertragen. So zählt sein erst 22 jähriger Sohn mit ca. 20 Milliarden Baht jetzt zu den Reichsten Leuten in Thailand, und auch Thaksins Frau mit ca. 10 Milliarden und seine beiden minderjährigen Töchter mit je ca. 5 Milliarden zählen nicht gerade zu den ärmsten im Lande. Da kommen jedem der die Thai-Verhältnisse kennt, doch berechtigte Zweifel, ob diese Millionärsriege tatsächlich die Interessen des Volkes über die Wahrung und Vermehrung des eigenen Vermögens stellen wird.

Welche Auswirkungen der Sieg einer Partei die "Thais lieben Thailand" heißt, für die in Thailand lebenden und arbeitenden Farangs haben wird, bleibt abzuwarten. Diese Frage mag sich mancher stellen, der sich als in Thailand wohnender Farang über die offensichtliche Benachteiligung der Ausländer gegenüber Thais bei allen geschäftlichen und finanziellen Angelegenheiten geärgert hat. Ich könnte mir aber vorstellen, daß ein kluger Kopf wie Thaksin, im Gegensatz zu einigen seiner Vorgänger, besser begreift, welchen Beitrag diese Farangs zur Thai-Wirtschaft leisten, und - entgegen den im Wahlkampf von seiner Partei verkündeten ziemlich chauvinistischen Parolen - seine Maßnahmen darauf einstellen wird. Für die fast 10 Millionen Touristen die jedes Jahr nach Thailand kommen, um hier etwas zu erleben, das sie in ihrer Heimat nicht haben, dürfte sich sowieso nichts ändern. Das Geld, was die Farangs ins Land bringen, ist ein wichtiger Pfeiler der thailändischen ökonomie, die ohne die Devisen der Ausländer in einem noch trostloserem Zustand wäre, als sie es im Augenblick schon ist.


© 2000, Günther Ruffert

Dieser Beitrag erschien im Original bei www.Thaifrau.org