Buddhismus in Thailand heute - THAIFRAU GUIDE

Von Günther Ruffert, Thailand

Für viele Europäer hat der Buddhismus etwas Mystisches. Sie denken beim Wort Buddha an Mantra, meditierende Mönche und uralte überkommene Lebensweisheiten. Wenn sie dann in Thailand mit Menschen in Kontakt kommen, die in ihrem Benehmen oft genau das Gegenteil von dem zeigen, was Buddha einst gelehrt hat, und was jeder halbwegs gebildete Farang davon zu wissen glaubt: die Mißachtung von Besitz, die Achtung vor allem Lebenden, vor allen gegenüber den Mitmenschen, und eine abgeklärte Haltung zu allen Problemen des Alltags, dann sind sie oft erstaunt, wie wenig das Bild der thailändischen Gesellschaft der Vorstellung gleicht, die sie selber vom Buddhismus haben.

Buddhismus ist die Staatsreligion Thailands, und wird gesetzlich gegen jede Beleidigung geschützt. Für die meisten Thais ist Thai-Sein, gleichbedeutend mit Buddhist-Sein. Nach der staatlichen Bürokratie, ist die buddhistische Organisation "Sangha" ( keineswegs mit unseren Christlichen Kirchen zu vergleichen) zahlenmäßig die zweitgrößte aller Thaiinstitutionen.

Aber während die Haltung der Thais zur staatlichen Bürokratie immer von Zurückhaltung und Mißtrauen bestimmt wird, sind die Gefühle gegenüber Mönchen immer positiv und vertrauensvoll. Die staatliche Bürokratie hat die Macht zu regieren und zu befehlen, wohingegen die Mönche eine Lebensform repräsentieren, wie sie Buddha empfiehlt. Buddhismus ist daher in Thailand nicht nur eine Religion, so wie heute bei uns die verschiedenen Formen des Christentums, sondern verkörpert für die Thais auch die Einheit der Thai-Nation, ihre Traditionen, und ihre Wertvorstellungen. Während es möglich ist, eine Zeit lang in entfernteren Gegenden des Landes herumzufahren, ohne einen Repräsentanten des Staates zu sehen, ist es kaum möglich einen Tag im Lande unterwegs zu sein, ohne auf Klöster und Mönche zu treffen. In Thailand gibt es ca. 400.000 Mönche. Sie sind ein Teil der Gesellschaft. Und die Werte die eine Gesellschaft hat, werden ebenfalls in der Sangha, der mönchischen Gesellschaft reflektiert.

Die Sangha steht heute unterstaatlicher Kontrolle, und es gibt ein eigenes Ministerium für religiöse Angelegenheiten. Es gibt aber keine Kirchensteuer, die Klöster sind ganz auf Spenden der Gläubigen angewiesen. Mit Ausnahme der unteren Ränge, gleicht die Rangordnung in der Sangha, mit ihren Titeln, Rängen, und Ehrenbezeichnungen, der hierarchischen Struktur der staatlichen Bürokratie. Auf höchster Ebene der Sangha gibt es einen ältestenrat mit einem Patriarchen an der Spitze. Rat und Patriarch werden zwar von den äbten gewählt, bedürfen aber der Bestätigung des Koenigs, der der Schutzpatron des Glaubens ist.

In früheren Zeiten hatte die Mönchsgemeinde vielfältige Aufgaben in der Thai-Gesellschaft, und die Klöster waren der Mittelpunkt des sozialen Lebens der Gemeinden. Sie waren gleichzeitig der Ort wo die Kinder lernten, wo man sich Rat bei Problemen des täglichen Lebens holte, wo Kranke behandelt wurden, und wo man sich auch die richtigen Lotteriezahlen vorhersagen lassen konnte. Mit der Ausdehnung der Regierungsdienste, vor allem im Schul- und Gesundheitswesen, sind die Aufgaben der Klöster erheblich reduziert worden, aber die religiösen Funktionen sind nach wie vor dieselben. Die Klöster sind der Ort, zu dem die Laien kommen um durch "tam boon" Verdienste zu erwerben, um gemeinsam zu beten und zu meditieren, um die Toten einzuäschern, und um bei den vielen buddhistischen Feiertagen eine farbenprächtige Prozession zu veranstalten.

Ein Beispiel für die Bedeutung der Mönche sind die Riten beim Tode eines Familienangehörigen. Das beschränkt sich nicht wie bei uns auf ein paar salbungsvolle Worte bei der Totenmesse und am Grabe, sondern die Mönche kommen eine ganze Woche lang jeden Abend zum gemeinsamen Beten mit den Angehörigen in das Trauerhaus. Zum einen um der Seele des Toten zu helfen den Weg aus dem Chaos in die nächste Reinkarnation zu finden, zum anderen um die Lebenden vor bösen Geistern zu schützen, die sich beim Tode eines Menschen immer einfinden. Mönche werden aber auch gebraucht um ein neues Haus einzusegnen, um ein Paar zu trauen, ein neu in den Dienst gestelltes Flugzeug oder ein neu gekauftes Auto zu segnen, und vor allem natürlich um den jungen Männern den traditionellen Weg in das obligatorische 3 - monatige Mönchsleben zu zeigen.

Abgesehen von diesen traditionellen, und vom Sangha abgesegneten Funktionen, haben manche Mönche auch einen Ruf besondere okkulte Kräfte zu haben. Sie fertigen und verkaufen Amulette und heiliges Wasser, sie verleihen Buddha-Statuen besondere schützenden Kräfte, und haben Macht böse Dinge von den Menschen abzuwehren. Obwohl Buddha den Mönchen diese okkulten Beschäftigungen ausdrücklich verboten hatte, gibt es heute regelrechte Wallfahrten zu Klöstern, in denen solch ein wundertätiger Mönch residiert.

Der Niedergang der Sitten in Thailand hat allerdings auch vor den Klöstern nicht Halt gemacht. Immer öfter liest man in den Zeitungen über Verfehlungen von aus der Masse der Mönchgemeinschaft herausragenderen Personen, wie äbte, die Millionen Spendengelder unterschlagen, oder die ihrer Geliebten ein Kind gemacht haben. Interessanterweise wird die letztere Verfehlung allgemein in der öffentlichkeit viel strenger verurteilt, als die Millionen-Unterschlagung. Auch der Trend zur ungenierten Bereicherung macht vor den Klostern nicht Halt. Anstatt die Lehren Buddhas nicht nur zu predigen, sondern auch zu leben, haben nicht wenige Kloster und Mönche in den vergangenen Jahren an der Seifenblasenökonomie Thailands teilgenommen, und davon profitiert. In dem Maße wie die Gesellschaft den Weg gegangen ist, materielle Werte über alles zu stellen, hat sich diese Entwicklung auch in der Sangha reflektiert. Die Tempel bauen immer größere und prächtigere Gebäude, und produzieren immer mehr wundertätige Amulette um damit Geld zu machen. Das Problem, das Thailand heute mit Drogen hat, macht auch vor den Klostertoren nicht halt. Nach offiziellen Schätzungen nehmen ca. 10 % der Mönche Drogen.

Es gibt allerdings auch Bemühungen die ganze Organisation zu reformieren, und wieder auf die Lehre Buddhas zu konzentrieren. Der bekannteste Reformer, Buddhadasa Bikkhu, predigt den Verzicht all dessen, was an weltlichen Dingen in das Mönchstum eingedrungen ist, insbesondere die Geldgier und die Anbeterei von Dingen, die nichts mit Buddha gemein haben.

Es gibt Leute, die wollen versuchen die alten Praktiken des Buddhismus der modernen Welt anzupassen. Sie setzen zwar auch Buddhismus und Thai-Sein gleich, aber sind gerade deshalb der Meinung, daß die überkommenden Riten den heutigen sozialen Verhältnissen und den Erfordernissen einer globalen Weltordnung angepaßt werden müssen, denen die Nation gegenübersteht Sie kommen in der Regel aus den Intellektuellen-Kreisen, die sich auch über die sozialen Probleme Gedanken machen, die in Thailand gelöst werden müssen. Sie stellen allerdings nur eine kleine Minderheit dar. Die große Mehrheit der Buddhisten will an den überkommenden Praktiken und Riten nichts ändern, und wirft den Reformern vor, die Lehren Lord Buddhas zu mißachten, oder wirft ihnen gar Häresie vor. Jeder Protest, jeder Versuch etwas an den orthodoxen Praktiken zu verändern, stößt vor allem auf den Widerstand der Sangha, da deren herausragenden und bestimmenden Figuren mit der eingefahrenen Praxis bestens zurecht kommen. Für sie ist der Buddhismus eine Lebensart, und - egal ob mit Geisterglaube vermischt oder nicht - der einzige Weg für den Menschen, um Schutz und Führung in dieser Welt zu finden. Die Traditionalisten haben kein Interesse an geistlichen oder intellektuellen Tiefgang, sondern ausschließlich am überleben. Ihnen bietet die Religion Schutz und Wegweisung in einer Welt, in der alles in Fluß ist. Nicht so sehr um ein religiöses Leben zu führen, sondern als etwas an das sie sich klammern können, und wo sie Verdienste für das nächste Leben erwerben können.

Mit dem Fortschritt der Modernisierung und den zunehmenden Schwierigkeiten der Menschen, mit den sozialen Veränderungen fertig zu werden, kommen auch die animistische Bestandteile der Religion immer mehr zur Geltung. Immer mehr Mönche produzieren Amulette mit magischen Kräften, immer mehr wird vor Schreinen, denen man wundertätige Kräfte zuschreibt geopfert. Es gibt aber auch eine ganze Reihe buddhistischer Sekten in Thailand, die ihren Anhängern einen besonderen Weg zum Nirvana versprechen.

Der über die praktische Ausübung des Buddhismus in Thailand erstaunte Farang möge sich aber daran erinnern, wie weit die Praxis der christlichen Kirchen, und insbesondere der hervorragenden Repräsentanten des Glaubens, sich über die Jahrhunderte von dem unterschieden hat, was Jesus einst gelehrt hat. Wie bei uns ist heute auch in Thailand für viele Menschen Religion nur eine Folge von über das Jahr zu absolvierenden rituellen Handlungen, mit denen man sich selbst von den täglichen Verstößen gegen die Elemente des Glaubens freispricht.


© 2000, Günther Ruffert

Dieser Beitrag erschien im Original bei www.Thaifrau.org