Buddha und die Geister - THAIFRAU GUIDE

Von Günther Ruffert, Thailand

Jeder Farang, der länger mit Thais zusammenlebt, wird sich über das Nebeneinander von Buddha-Verehrung und Geisterglaube gewundert, und sich die Frage gestellt haben, ob die Thais denn nun Buddhisten oder Animisten sind. Wenn man dieser Frage etwas näher auf den Grund geht, bekommt man auch ein besseres Verständnis dafür, was die Thais fühlen und denken, kurz was ihr Leben bestimmt.

Fangen wir zunächst einmal mit dem Glauben an die Geister an. Wir Farangs neigen dazu, den Begriff Geister mit unserem deutschen Begriff Gespenster gleich zu setzen. Das ist aber der erste schwere Fehler, den man machen kann, wenn man das Benehmen der Thais mißverstehen will. Für die Thais ist das, was wir mit unseren 5 Sinnen wahrnehmen, nur ein Teil des Universums (was übrigens verblüffend dem heute wissenschaftlich anerkannten Verständnis des Kosmos entspricht). Neben all den Lebewesen die Gestalt haben, und mit den Augen wahrgenommen werden können, ist die Welt mit Wesen bevölkert, die keine für uns sichtbare Gestalt haben, aber unser tägliches Leben und Schicksal erheblich beeinflussen können.

Da sind zunächst die an einen Ort gebundenen Geister, von denen der Hausgeist Phra Phum, dem vor jedem Haus ein Wohnsitz zur Verfügung gestellt wird, mit am bekanntesten ist. Er ist der eigentliche - wenn auch nicht grundbuchamtlich eingetragene - Besitzer des Landes. auf dem das Haus steht. Er kann den Bewohnern des Hauses Glück und Wohlergehen sichern, aber auch das Gegenteil, also Unglück und Krankheit bringen. Es ist daher wichtig, den Hausgeist bei guter Laune zu halten, und ihm zu zeigen, daß man ihn schätzt. Das geschieht, indem man sein Häuschen in Ordnung hält, ihm regelmäßig kleine Schälchen mit Nahrung und Getränken hinstellt, und seinen Wohnsitz auch ab und zu einen Blumenkranz schmückt. Da der Hausgeist aber auch die Macht hat, das tägliche Leben der Menschen zu beeinflussen, wendet man sich auch an ihn, wenn man einen irgend Wunsch hat. Man trägt ihm sein Anliegen in einem stillen Gebet vor, und verspricht dabei dem Geist bei Wunscherfüllung ein kleines Geschenk, etwa einen schönen Holzelefanten, oder auch eine Flasche Reisschnaps. Das ganze ist mehr oder weniger ein Geschäft, man bestellt etwas, und muß dann natürlich bei Lieferung, also bei Erfüllung der Bitte, den Kontrakt auch einhalten. Tut man das nicht, hat man sich das übelwollen des Geistes zugezogen, und das kann böse Folgen haben. Es ist aber keine Sünde einen Geist zu betrügen, sondern schlicht Dummheit, da man sich seinem Zorn, und eventuell seiner Rache ausgesetzt hat.

Eine andere Kategorie der ortsgebundenen Geister, sind die Geister die an einem besonders verehrungswürdigen Ort wohnen, und die manchmal große Macht haben, wie z. B. der Geist der in dem Standbild eines Hindugottes, oder auch einer Buddha Statue wohnt. Während der Einfluß des Hausgeistes sich mehr oder weniger auf die Menschen beschränkt, die in dem Haus wohnen, können die an einem verehrungswürdigen Ort wohnenden Geister auch überregional tätig werden. Wer eine größere Reise antritt, kann sich gegen die Gefahren auf dieser Reise also absichern, indem er vorher solch einen Geist um Schutz bittet, und ihm selbstverständlich auch eine Gegenleistung verspricht. Also ein schönes Geschenk, oder oft auch eine Tanz- oder auch Theatervorführung, die einige dieser Geister besonders mögen. Mancher Farang wird sich schon an den Vorführungen der Tempeltänzerinnen am Erawan Schrein, oder an dem Likeh-Theater am Stadttempel, gegen über dem Königspalast in Bangkok erfreut haben, ohne zu wissen, daß diese Vorführungen nicht das geringste mit dem Buddhismus zu tun haben, sondern rein geschäftlichen Abmachungen zwischen einem Individuum und einem einflußreichen Geist dienen. Der Geist kann auch weiblichen Geschlechts sein, er wird dann vor allem von Frauen angerufen, die z. B. ein Kind haben möchten, oder Probleme mit ihren ungetreuen Ehemann haben. Solche weiblichen Götter mögen als Geschenk vor allem Lingams, und so sind deren Schreine auch meist mit diesen Holzpenissen in allen Größen überladen.

Schließlich gibt es auch noch die bösen Geister, die den Menschen ärgern, oder ihm übel wollen. Sie haben keinen festen Wohnort, sondern irren in der Gegend umher, und suchen sich ihre Opfer. Diese Geister kann man kaum durch Geschenke beeinflussen, sie haben ja keinen Standort, an dem man die Gaben deponieren könnte. Man kann aber einen guten Geist gegen sie mobilisieren, und um seinen Schutz gegen die bösen Geister bitten. Schutz gegen böse Geister bieten auch geweihte Amulette oder Tätowierungen. Die Tätowierungen die man bei Thai-Männern oft sieht, dienen also nicht der Zierde, wie bei Farangs, sondern haben eine Schutzfunktion.

All die Opfer und Gebete an Orten. an denen ein guter oder einflußreicher Geist wohnt, haben aber nur Bedeutung für das tägliche Leben, keineswegs für das Jenseits. Es sind reine geschäftliche Transaktionen nach dem Motto: ich bestelle, du lieferst, ich bezahle. Da die Thais gewohnt sind, daß jeder Mensch mit einigem Einfluß, egal ob ein Beamter oder Polizist, erst einmal Geld sehen will, bevor er etwas unternimmt, wird auch dem Geist allgemein bei der Bestellung eines Wunsches schon eine kleine Gabe, sozusagen als erste Rate für das Geschäft gezahlt.

Kommen wir nun zum Buddhismus. Hier sind zunächst zwei Dinge festzuhalten. Zum einen, daß Buddha kein Thai, sondern ein in der brahmanischen überlieferung aufgewachsener indischer Fürstensohn war, seine Wertvorstellungen also ganz andere waren, als die der Thais. Zum andern ist der Buddhismus heute zwar Staatsreligion in Thailand, hat aber mit der Lehre die Buddha einst verkündet hat, genau so wenig zu tun, wie die Dogmen der katholischen Kirche mit dem Urchristentum. Hinzu kommt, daß die Thai Pragmatisten, und keinesfalls Dogmatiker sind. Sie haben also nicht nur die Lehre Buddhas über 2 Jahrtausende ihren eigenen Wertvorstellungen angepaßt, so daß in vielen Klöstern heute die althergebrachten Riten nur noch leere Form sind, und die Mönche, und vor allem die äbte, genau so nach Besitz streben wie alle Thais, sondern auch die Laien halten von den Geboten Buddhas nur soviel ein, wie es ihnen gerade nützlich erscheint.

Die Lehre Buddhas ist keine Religion, sie kennt kein Dogma, sondern sie beschreibt den Weg, die der Mensch gehen muß. um sein Kharma so zu beeinflussen, daß er nach vielen Existenzen schließlich das Nirvana erreicht. Wenn die Thais im Tempel opfern, oder die jungen Männer für ein paar Monate ins Kloster gehen, dann dient das nicht der Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse, oder ihres Schicksals, sondern "tam boon" dient ausschließlich zur Verbesserung des Kharmas, und kann sich erst im nächsten Leben auswirken.

Wenn man all dies betrachtet, also berücksichtigt, daß die Geister für das Leben auf dieser Erde, und das nur kurzfristig zuständig sind, so daß man ihr Wohlwollen und ihren Schutz immer von neuem erkaufen muß, die Lehre Buddhas aber das Kharma, und damit das nächste Leben bestimmt, dann kommt einem der Dualismus, der das Thai-Leben bestimmt, gar nicht mehr so seltsam vor. Buddhismus und Geisterglaube stehen also keineswegs im Gegensatz, sondern ergänzen sich. Der Umstand, daß der Buddhismus keine Sünde kennt, sondern nur einen Zustand der Erkenntnis, und damit eine Station, die man auf dem Wege zum Nirvana jeweils erreicht hat, bietet auch eine gewisse Erklärung für das Verhalten der Mädchen an den Bars von Pattaya. Sie sind jung, und können es sich daher leisten, auf dem Weg zur Erkenntnis, wie ihn Buddha vorzeichnet, ein paar Jahre anzuhalten, um ihn später, meist im Alter wieder fortzusetzen. Gleichzeitig ist die Unterstützung der Angehörigen, die ihnen ihre durch ihre in unseren Augen unmoralische Tätigkeit ermöglicht wird, "tam boon" und wird ihr Kharma günstig beeinflussen.


© 2000, Günther Ruffert

Dieser Beitrag erschien im Original bei www.Thaifrau.org