Der Farang auf dem Dorf - THAIFRAU GUIDE

Von Günther Ruffert, Thailand

Mancher Farang, der das Dorf seiner Freundin irgendwo in Thailand besucht, wird vielleicht von dem völlig anderem Lebensrhythmus und der allgemein freundlichen, wenn nicht herzlichen Art, mit der ihm alle Dorfbewohner entgegenkommen angetan sein, und überlegen, dort auf Dauer sein Domizil zu nehmen. Dabei muß er sich aber über folgende Dinge klar sein.

Wenn die Menschen auf dem Dorf auch Fremden gegenüber ziemlich tolerant sind, so wird doch jeder Farang, der über längere Zeit auf dem Dorf lebt und sich wie ein Elefant im Porzellanladen benimmt, bald als "Farang ohne Gesicht" angesehen. Dies geschieht häufig dann, wenn der Europäer sich als überlegen aufspielt oder gar seine Arroganz deutlich zum Ausdruck bringt. Der Farang wird über längere Zeit nicht unter den Menschen auf dem Dorf leben können, wenn er nicht gewillt ist, ihre von unserer westlichen Mentalität häufig grundverschiedene Einstellung zu den Dingen des täglichen Lebens zu akzeptieren. Das ist die Grundvoraussetzung für ein zufriedenstellendes Leben unter Menschen mit völlig anderer Denkungsart. Da ist zunächst einmal der Glaube an die Geister. Bei jeder möglichen Gelegenheit werden die Geister angerufen oder ihnen ein Opfer gebracht. Die richtige Behandlung der Geister gehört genau so zum täglichen Leben wie essen und schlafen. Der Farang soll sich hüten diesen Geisterglauben als Blödsinn zu verspotten. Die Geister könnten das übel aufnehmen, und sich nicht nur an dem Farang, sondern auch an den Menschen mit denen er zusammenlebt rächen. Man muß auch akzeptieren, daß der Geisterglaube wie die Religion den Menschen in Thailand eine gewisse Lebens- und Handlungssicherheit gibt. Wenn man ihnen dies wegnimmt, werden sie haltlos und unsicher.

Das betrifft ferner die Einstellung der Menschen zum Geld. Sie sind zwar in der Regel nach unseren Begriffen bettelarm, sobald sie aber etwas Geld in die Finger bekommen, wird dies auch sofort wieder ausgegeben. Unsere Art, das Geld zusammenzuhalten und möglichst noch zu vermehren, wird von den Menschen hier oft als Geiz verstanden. Geld ist dazu da, sich selbst oder auch anderen Freude zu machen, und zwar möglichst heute. Wer weiß, ob man morgen noch lebt. Der Farang, der versucht den Menschen mit denen er zusammenlebt beizubringen, daß man Geld auf die hohe Kante legen muss, damit man im Alter davon zehren kann, wird auf totales Unverständnis stoßen.

Das gilt auch für die Einstellung zur Arbeit. Unsere überzeugung, daß ein gesunder Mensch in der Woche zumindest 5 Tage arbeiten muss, damit er sich wohlfühlt, kann man kaum einem Menschen in Thailand begreiflich machen. Gearbeitet wird nur dann, wenn es nötig ist, also in der Regel, wenn die Feldbestellung ansteht. Sobald man etwas Geld in die Finger bekommen hat, wird solange nicht gearbeitet, bis das Geld ausgegeben ist.

Auch ihr Bestreben unangenehmen Dingen auszuweichen ist nicht immer in unserem Sinne, denn die Probleme denen man ausgewichen ist, werden einem wahrscheinlich später wieder auf die Füße fallen. Konflikte werden, soweit es geht, vermieden. Wer Auseinandersetzungen in der öffentlichkeit austrägt verliert sein Gesicht. Das gilt auch für Farangs, die allzu leicht ihren ärger zeigen oder ihre Gastgeber kritisieren. Aus Höflichkeit vermeidet man direkte Ablehnung oder Verneinung. Wer Thai um etwas bittet, wird zum Beispiel selten eine Absage bekommen, selbst wenn es nicht möglich ist, der Bitte zu entsprechen. Statt "nein" sagt man aus Höflichkeit lieber "vielleicht" und zeigt durch zögerndes Verhalten seine Ablehnung.

Ein Stein des Anstoßes für den Farang ist in der Regel, daß Menschen mit denen er zusammenkommt oder für eine Zeit zusammenlebt, sich ganz selbstverständlich seiner Sachen bedienen, oder sich aus dem Kühlschrank an dem gütlich tun, was er für seinen eigenen Bedarf mitgebracht oder gekauft hat. Dabei muß man aber berücksichtigen, daß das Wort Privatsphäre für Thais ein unbekannter Begriff ist. Es handelt sich meist um Menschen, die ihr ganzes Leben lang mit mehreren Personen in einem Zimmer gehaust haben, wo jegliches Eigentum zum Gebrauch für jeden da war. Es handelt sich hier nach ihren Begriffen also keineswegs um ein schlechtes Benehmen, sondern um ein Verhalten, nach den in dieser Gesellschaft üblichen Regeln. Wer z. B. der Mutter verbietet, etwas aus dem Kühlschrank zu nehmen, riskiert, daß dies als Angriff auf das gemeinsame Gut betrachtet wird.

Schließlich ist es auch notwendig, sich beim täglichen Umgang mit den Menschen hier immer darüber klar zu sein, daß für sie unsere Gesetze der Logik nur beschränkt gelten. Sie denken bei ihrem Tun und Lassen weniger an die kurz- und schon gar nicht an die längerfristigen Folgen, sondern vor allem an den Augenblick und an ihr "Gesicht". Sie werden ihr Handeln weniger danach ausrichten, was nach unserem Verständnis vernünftig oder logisch ist, sondern zunächst danach, was ihnen "Gesicht" verleiht.

Um es länger auf dem Lande auszuhalten gehört aber auch, daß man sich bemüht die Sprache zu erlernen, wenn man nicht gerade ein Einsiedlerdasein führen will. Es ist auf die Dauer stinklangweilig, wenn man sich nur mit seiner Frau, die aus ihrer Bartätigkeit her vielleicht ein paar Brocken Englisch spricht unterhalten kann. Thai ist eine Sprache die nach meiner Erfahrung sehr leicht zu lernen ist. Schwieriger ist es allerdings mit der Schrift, bei der es dem normal begabten Europäer sehr schwer fällt, die 44 Konsonanten und 32 Vokale auseinander zu halten. Aber in der Regel will man ja keine Thai Zeitungen lesen, die es auf dem Dorf sowieso nicht gibt. Die gesprochene Alltagssprache ist einfach, sie hat kaum grammatikalische Regeln, man reiht einfach Wort für Wort hintereinander, und mit ein paar hundert Worten des Grundwortschatzes kann man sich schon ganz ordentlich unterhalten. Ein Problem für den Farang ist allerdings, daß es in der Thai-Sprache 5 Tonstufen gibt, und daß das gleiche Wort je nach Betonung sehr unterschiedliche Bedeutung haben kann. Er wird aber von den Thais meist aus dem Zusammenhang her richtig verstanden werden, auch wenn er ein Wort nicht richtig betont. Thai muß also nicht nur mit dem Wörterbuch, sondern auch mit dem Ohr gelernt werden. Wenn man aber unter Thais lebt und den ganzen Tag über nur Thai hört, kommt die richtige Betonung von selbst. Vorsicht ist aber bei kurzen Fragen die man an einen Fremden richtet geboten, da sind Mißverständnisse vorprogrammiert. Wenn man jemanden auf Thai um Feuer für seine Zigarette bittet, kann es vorkommen, daß einen erstaunt ansieht, weil er verstanden hat, man wolle angesteckt und verbrannt werden. Als ich dem netten Mädchen in der Hotelrezeption einmal sagte, ich wolle morgen früh um 6 Uhr geweckt werden, weil ich schwimmen gehen wollte, hatte sie verstanden, ich wolle morgen früh um 6 von ihr gebadet werden, und sie überlegte nun krampfhaft, ob sie beleidigt ablehnen, oder fragen sollte, wieviel ich zahlen würde.

Falls man mal zum Arzt gehen muß, so sind die Behandlungskosten sehr niedrig, das gilt im übrigen - zumindest wenn es sich nicht um Spezialisten in Bangkok oder einer größeren Stadt handelt - allerdings auch für das fachliche Können der Dottores. Für die niedrigen Behandlungskosten halten sie sich dann aber an der verkauften Medizin schadlos. Der Arzt gibt einem Patienten nicht etwa wie in Deutschland ein Rezept mit, um sich die erforderliche Medizin in einer Apotheke zu kaufen, sondern er gibt ihm gleich ein paar Tütchen mit Pillen mit, nimmt ihm aber dann das Mehrfache des Apothekenpreises dafür ab.

Wenn man wegen einer ernsteren Erkrankung für eine Zeit ein Thai-Krankenhaus aufsuchen muß, dann ist zu raten, sich nicht in einen Gemeinschaftssaal mit noch 30 Patienten legen zu lassen, sondern ein Einzelzimmer zu verlangen. Die Zimmer sind - zumindest in größeren Krankenhäusern - ganz komfortabel ausgestattet, mit Fernseher, Kühlschrank, Klimaanlage und eigenem Badezimmer, und im Vergleich zu den deutschen Krankenhauskosten spottbillig. In öffentlichen Krankenhäusern werden die Kosten für ein Einzelzimmer einschließlich Arztbehandlung und Medikamenten etwa bei 2000.- Baht, also 50.- Euro am Tag liegen. Private Krankenhäuser - vor allem in Bangkok - sind allerdings erheblich teurer, und erreichen in einigen Fällen sogar deutsches Kostenniveau. Besuchszeiten gibt es überhaupt nicht, jeder Besuch kann kommen wann er will. Noch etwas weicht hier stark von den Verhältnissen in deutschen Krankenhäusern ab. Wenn ein Thai ins Krankenhaus muß, gehen immer ein, oder auch mehrere Familienmitglieder mit. In den großen Krankensäälen sieht es meist aus, wie in einer Wartehalle. Die Patienten liegen im Bett, und der ganze Anhang schläft auf dem Boden davor. In Einzelzimmern gibt es immer eine Extraliege für das den Kranken versorgende Familienmitglied.

Wichtig zu wissen ist, daß vor Aufnahme in ein Krankenhaus immer die Kreditwürdigkeit geprüft wird, weil die meisten Thais in keiner Krankenkasse sind. Das kann vor allem bei Unfällen Probleme ergeben, da bevor nicht klar ist, daß der Patient zahlen kann, evt. nur die Notversorgung, aber keine kostenintensiven Schritte zur Lebensrettung unternommen werden, oder gar die Aufnahme ganz verweigert wird. Dem Farang ist also immer zu raten, entweder eine Kreditkarte, oder die Bescheinigung seiner Auslandsversicherung bei sich zu tragen. Aber auch eine schöne Goldkette kann im Notfall die Kreditwürdigkeit sicherstellen, und als Pfand hinterlegt werden. Es muß sich dabei aber um "Thai-Gold" handeln. Der in unseren Geschäften angebotene Goldschmuck mit 14 oder 18 Karat gilt bei Thais als wertlos und wird in Thailand niemals als Pfand angenommen.


© 2000, Günther Ruffert

Dieser Beitrag erschien im Original bei www.Thaifrau.org